03.09.2021

Menschen mit Behinderungen zeigen Musical über ihre Probleme

„Ich will, was du auch willst“

Menschen mit Behinderungen führen in Zeitz ein Musical über ihre Probleme     auf. Es wurde in der Wohn- und Förderstätte Julius von Pflug in Schelkau entwickelt und einstudiert.

Bewohner der Einrichtungen der Behindertenhilfe proben gemeinsam mit Mitarbeitern und professionellen Musikern für das Musiktheater, das am 11. September im Schlosspark in Zeitz erstmalig aufgeführt werden soll.    Fotos: Bernadette Olma

 

Am 11. September kommt in Zeitz ein Stück auf die Schlossparkbühne, das mit all den Vorurteilen aufräumen soll, denen Menschen mit Behinderungen noch immer ausgesetzt sind. Mitarbeiter der Caritas Wohn- und Förderstätte Julius von Pflug in Schelkau haben ein Musical entwickelt, das Profimusiker, semiprofessionelle Darsteller, Theaterschaffende, interessierte Menschen mit und ohne Beeinträchtigung verschiedenen Alters und Geschlechts auf der Bühne vereint.

Oft führt Andersartigkeit zur Ablehnung
Ausgedacht hat sich das Musiktheater Stefan Köhler, Mitarbeiter der Caritas-Trägergesellschaft St. Mauritius gGmbH (ctm), in deren Trägerschaft sich die Einrichtung in Schelkau befindet. Fragt man ihn, wie er auf die Idee kam, so ein Stück zu entwickeln, zitiert er eine Bewohnerin des Hauses: „Ich will, was du auch willst“, brachte diese wohl in einem Streit aus tiefstem Herzen hervor. „Es ist oft die Andersartigkeit, die Menschen bewegt, einander abzulehnen“, sagt Köhler. „In unserem Bühnenwerk nehmen wir deshalb genau diese Gedanken auf und lassen sie lebendig werden.“ Es handele sich um ein etwa einstündiges Werk mit musikalischen und darstellerischen Anteilen. Darüber hinaus würden Klang- und Videosequenzen das Werk bereichern.
Das Stück ist ein Gemeinschaftswerk, das Menschen aus den Einrichtungen der ctm zusammenbringt. Aber auch professionelle Musiker wurden eingeladen, an der Idee mitzuwirken.
„Die zentrale inhaltliche Frage des Stückes ist: ,Was will ich?‘“, beschreibt Köhler, der selbst auch Musiker ist. „Die Kompetenz, diese Frage für sich zu beantworten, ist bei vielen Menschen mit Beeinträchtigung noch nicht so stark ausgeprägt. Zu sehr stand in der Vergangenheit das Fürsorgeprinzip im Mittelpunkt, statt der Idee mit Assistenz zu arbeiten.“ Während der Proben soll das Bewusstsein für eigene Wünsche und Vorstellungen gesteigert werden.

Das Bühnenstück – hier bei den Proben – besteht aus musikalischen und darstellerischen Elementen.

 

Durch die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlichster Kompetenzstufen komme es zu kulturellen Erfahrungen, von denen alle Beteiligten lange profitieren können. „Musikalisch ist das Werk von einem sinfonischen Orchester, durch eine Trommelgruppe und sogar durch elektronische Musik geprägt. Dafür stehen wir in Kooperation mit dem Generationen-Sinfonie-Orchester, der Trommeleventgruppe redATTACK und einem Installations- und Klangkünstler.“

Eine Geschichte vom Suchen und Finden
Und der Titel? „Das Stück heißt ‚Behindert – eine Geschichte vom Suchen und Finden‘. Wir haben uns ganz bewusst für einen provokanten Titel entschieden. Zum einen, um auf gängige Klischees anzuspielen, zum anderen, um das Publikum auf Blickwinkel, welche durch Vorurteile behindert werden, aufmerksam zu machen“, erklärt der Sozialpädagoge. Das Werk befasse sich mit den Erlebniswelten der unterschiedlichen Protagonisten. Diese existierten zunächst nebeneinander und versuchten sich durch ihre Andersartigkeit vonein-
ander abzugrenzen. Stefan Köhler: „Die Inszenierung spiegelt die Distanz zwischen den einzelnen Welten wieder und verdeutlicht sie auf diversen Ebenen. Im Verlauf des Stückes werden gemeinsame Schnittmengen erkannt und finden nach einem dramatischen Intermezzo zu einem harmonischen Nebeneinander zusammen. Nicht alle Fragen werden beantwortet, nicht alle Unterschiede gleichgemacht, sondern Andersartigkeit
wird als Chance für kreative Lösungen verstanden.“
Die Uraufführung ist für den 11. September auf der Open-Air-Bühne im Schlosspark Zeitz geplant. Weitere Auftritte sind in Magdeburg, Beetzendorf, Nordhausen und Dingelstedt für die Jahre 2022/2023 angedacht.

Mehr Infos: www.ctm-magdeburg.de

Von Bernadette Olma