10.07.2012

Anstoss 28/2012

Menschen – einfach unbezahlbar

Wenn ich mich in meinem Bekannten- und Freundeskreis umsehe, scheint der Wechsel des Kreditinstitutes ein beliebter Sport zu sein.

Immer wieder erzählen mir Freunde, sie hätten aus Kostengründen die Bank gewechselt. Dabei stehen der Service einer Bank und die Höhe der Kontoführungsgebühren in einem direkten Zusammenhang. Gegen diesen Trend bin ich immer noch bei meiner alten Bank geblieben. Im Gegensatz zu vielen Internetbanken muss ich da zwar Gebühren zahlen, konnte aber bisher direkt am Schalter Überweisungen abgeben, Einzahlungen erledigen und Fragen klären.
Seit einiger Zeit ist es auch bei meiner Bank nicht mehr so einfach, einem Menschen zu begegnen. Neulich stand dort Hilfe suchend ein alter Mann am Schalter und wollte eine Überweisung abgeben. Statt die Überweisung einfach entgegen zu nehmen und dem Mann einen guten Tag zu wünschen, wurde er am Bankschalter über den Postkasten unter der Treppe informiert. Vielleicht wollte der Mann seine Überweisung gar nicht irgendwo einstecken. Vielleicht wollte er sie persönlich abgeben.
So geht es den Menschen immer öfter. Persönlich ist nicht. Bei IKEA werden Selbstbedienungskassen eingeführt, um die Personalkosten zu senken. In der Back-Factory fällt die Bedienung aus, damit die Brötchen schön billig sind. Und bei der Telekom müssen Sie mit einem Computer vorliebnehmen, wenn Sie eine Frage haben. Die Begründung ist immer die gleiche: Menschen sind zu teuer.
Das stimmt, möchte man antworten. Sie sind sogar noch viel mehr, Menschen sind unbezahlbar. Und deswegen sind sie zu schade, um wegrationalisiert zu werden. Vor einiger Zeit titelte der Focus mit der Überschrift „Soziale Kälte schafft Menschenfeindlichkeit“. In Anlehnung an diesen Artikel könnte man auch sagen, zu viel Rationalisierung macht eine Gesellschaft menschenfeindlich. Dem Mann in der Bank ging es um mehr, als nur ein Stück Papier loszuwerden. Es ist unbezahlbar, wenn die Verkäuferin in einer Bäckerei ein paar Worte übrig hat, während sie die Brötchen einpackt. Es ist unbezahlbar, wenn ich es am Telefon mit einem echten Menschen zu tun bekomme, der auf meine Fragen ganz persönlich eingehen kann.
 „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ So antwortet Jesus dem Versucher, nachdem er 40 Tage und Nächte gefastet hatte. (Mt 4,4) Die alte Versuchung hat sich nur eine neue Verkleidung gesucht. Der Mensch lebt auch heute nicht von dem, was er möglichst billig bekommt. Er lebt auch heute von dem, was er ist und man könnte hinzufügen, wie er ist. Oft genug spricht Gott zu uns durch andere Menschen. Darum ist es unbezahlbar, wenn wir es mit Menschen zu tun bekommen in der Bank, beim Bäcker, am Telefon und überall, wo Menschen einander begegnen.
Kaplan Marko Dutzschke, Cottbus