06.03.2017

Die Neue Rechte macht in den Sozialen Netzen mit neuer Strategie mobil

Wie aus Nazis Nipsters wurden...

Mit coolen Musikvideos, Lifestyle-Angeboten, Internetspielen bis hin zu Ernährungstipps geht die extreme Rechte im Internet immer geschickter auf Menschenfang.

Hip Hop der neuen deutschen Rechten. Der Sänger Komplott präsentiert seine Videos auf YouTube

Fetter Beat, schneidender Synthesizer, martialische Stimme. Ein junger Mann – mit Kapuzenpulli und Basecap - steht im gleißenden Scheinwerferlicht am Mikrofon, sein Gesicht ist verdeckt. Erst besingt er die Hauptstädte Europas, Rom, London, Paris. Dann wird der junge Mann, der sich „Komplott“ nennt, deutlicher. In eindringlichen Tönen warnt er davor, dass „unser liebes Land“ geflutet wird von Kriminellen, „die so aussehen wie Robinsons Freitag“. Der Song „Europa“ ist so zu einer Art Hymne der Identitären Bewegung geworden, die etliche Politikwissenschaftler und Verfassungsschützer als rechtsextremistisch einordnen. Mit seiner Wortwahl von „Blut, Schweiß und Tränen“ oder „Stolz, Ehre und Identität“ erinnert das Lied von Komplott sicher nicht nur zufällig an manche Rede von NS-Chefagitator Joseph Goebbels…

Virtuelle Schattenwelt aus Hass und Hetze

Rassistischer Humor auf Facebook
(Foto: jugenschutz.net)

Hinter dem Song und dem recht professionell produzierten Video steckt eine neue Strategie der extremen Rechten, die anders als früher nicht mehr mit Springerstiefeln, Glatzköpfen und Bomberjacken daherkommt, sondern sich neuerdings durchaus stylisch und modern gibt. Mit Markenbekleidung, Lifestyle-Angeboten, coolen Musikvideos, Internetspielen bis hin zu Ernährungstipps versucht die völkische Szene ein junges Publikum für sich einzunehmen. Auf offen rechtsextreme Parolen verzichtet der Rapper Komplott, der bei der „identitären“ Gruppe „Kontrakultur Halle“ aktiv ist. Seine Musik wird dadurch – Im Gegensatz etwa zu den Songs des waschechten Nazi-Rappers MaKss Damage - auch anschlussfähig für Menschen, die bisher keine Tendenzen zu rechtsextremen Positionen haben. „Die rechtsextreme Propaganda hat sich weiter verschärft“, sagt der stellvertretende Leiter der Internetplattform Jugenschutz.net, Stefan Glaser. Gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat er im Februar den neuen Jahresbericht zum „Extremismus online“ in Berlin vorgestellt.

Die Plattform Jugenschutz.net beobachtet seit einigen Jahren Nachrichtenseiten und soziale Netzwerke und meldet den Behörden jugendgefährdende Inhalte. Im vergangenen Jahr wurden laut Glaser (neben der im Internet noch immer reichlich vorhandenen Werbung für islamistische Gruppen) auch rund 53.000 rechtsextreme Inhalte gesichtet. Gegen knapp 1.700 Inhalte gingen die Experten aktiv vor und beantragten bei Facebook, YouTube und Twitter ihre Löschung, hatten dabei aber längst nicht immer Erfolg. Mindestens 20 Prozent aller erkannten Nazi-Parolen ließen die Internet-Unternehmen auf ihren Plattformen stehen.

Nazis laden zum veganen Frühstück

Les Brigandes aus Frankreich verbreiten die Verschwörungstheorie
vom "großen Austausch"  (Screenshot YouTube)

Glaser bezeichnet die neue Rechte gerne als „Nipster“ (Nazi-Hipster). „Da werden neuerdings sogar Bilder vom veganen Frühstück kombiniert mit Naziparolen“, sagt er. Insbesondere gegen Muslime und Flüchtlinge werde gehetzt, auch in Form von Falschnachrichten, die sich immer stärker verbreiten. Die „virtuelle Schattenwelt von Hass und Hetze“ wachse so schnell wie selten zuvor, sagt Ministerin Manuela Schwesig. Doch das Ganze ist allerdings beileibe kein rein deutsches Problem. Fast überall in Europa sind die Rechtspopulisten und Identitäre auf dem Vormarsch und versammeln sich international oft unter dem Banner „Reconquista“. Der Slogan steht für die Rückeroberung Spaniens aus muslimischer Herrschaft. In Frankreich beispielsweise sorgt seit Monaten die stets nur maskiert auftretende Frauen-Gruppe „Les Brigandes“ mit Songs wie „Le grand remplacement“ („der große Austausch“) für Aufsehen.

Projekt gegen Extremismus (Screenshot)

Um die Hassbotschaften von Islamisten und Rechtsextremisten schneller als solche entlarven, hat das Jugendschutz.net bereits vor einiger Zeit das Portal „Hass im Netz“ online gestellt: Dort können sich interessierte Jugendliche gezielt informieren, mit welchen Methoden und Tricks Extremisten im Netz Stimmung machen und auf Menschenfang gehen. Schwesig kündigte zudem an, die Präventionsarbeit weiter auszubauen. Dazu soll das Projekt Jugenschutz.net künftig dauerhaft aus dem Anti-Extremismus-Programm „Demokratie leben“ gefördert werden.

Aber auch ganz normale Menschen können bei Kampf gegen Hass und Dreck (egal aus welcher Richtung dieser kommt) mitmachen. Auf ihrer Online-Beschwerdestelle nehmen die staatlich geförderten Jugendschützer Hinweise von sämtlichen Usern auf extremistische, pornografische oder betrügerische Websites und Inhalte entgegen.

Ihr Webreporter Andreas Kaiser (mit epd)

PS.: Die Songs der rechten "Musikanten" habe ich hier aus gutem Grunde nicht verlinkt.