25.05.2012
Anstoss 21/2012
Wenn die Bühne kleiner wird
Die alte Kabarettistin – über 40 Jahre stand sie auf der Bühne und brachte Menschen zum Lachen. Wie vielen sie geistig auf die Sprünge geholfen hat, weiß sie wohl selbst nicht zu sagen. Und vermutlich wird sie es kaum glauben, wenn einer gezählt hätte.
Wenn eine Frau kirchliches Kabarett im Osten Deutschlands bisher mit ihrem Spiel und Witz verkörperte, dann sicher sie: Marianne Illing.
Schon 1968 bei der Gründung der Dekana(h)tlosen, wie sich die Kabaretttruppe nannte, war sie dabei. Sie brachte Bischöfe und Politiker zum Lachen – oder zur Weißglut. Und so mancher blickte sich vorsichtig um, ob er denn lachen oder wenigstens schmunzeln dürfe. Aber Lachen kann die Welt verändern und die Kabarettisten hatten kapiert, dass Humor auch Kirche verändern kann. Manchmal macht es das Leben in der Kirche auch wieder erträglich. Marianne Illing war immer mittendrin und managte so nebenbei die Touren des gefragten Ensembles.
Vor Kurzem hatte ich sie am Telefon, um ihre Truppe nach Magdeburg einzuladen. „Nein“, sagte sie, mit der gleichen Stimme, mit der sie sonst Scheinheiliges und Scheinheilige entlarvt. „Ich spiele nicht mehr, ich bin jetzt 80 und da passe ich nicht mehr auf die Bühne.“ Und sie erzählte mir von so manchen Sachen, die das Alter so mit sich bringen. Wenn der Körper nicht mehr so will, wie der Geist. „Aber“, setzte sie fort, „seit ich mich entscheiden habe, nicht mehr zu spielen, geht’s mir besser. Und ich bereue die Entscheidung keine Minute.“
Ehrlich, das hat mich umgehauen. Denn die Vorstellung, Grenzen zu akzeptieren, die langsam immer enger werden, fällt mir schwer. Es passt auch nicht zum Schneller, Höher, Weiter der jungen Jahren und dem Bewegungsdrang der mittleren Generation. Es ist eine Binsenweisheit, dass wir alle älter werden, doch was es da an Risiken und Nebenwirkungen gibt, wird allzu gern ausgeblendet.
Wenn ein alter Mensch seine Grenzen einsieht und trotzdem froh in sein Leben schauen kann, paart sich sicher auch ein gehöriger Schuss Altersweisheit zum Humor. Und ich bin dankbar für diese Haltung der alten Dame. Das Leben ist ein wunderbares Geschenk und findet auch dann statt, wenn die Hände zittern und der Lebensabend da ist. Nur die Bühne wird kleiner.
Guido Erbrich, Roncalli-Haus Magdeburg
PS: Die Dekana(h)tlosen spielen natürlich trotzdem weiter, allerdings nur für Menschen, die langsam immer älter werden.