02.08.2017
Viel mehr als Holocaust und Mauerfall
Berichte und Erinnerungen von Zeitzeugen prägen auch das kollektive Gedächtnis, sind Teil unserer Erinnerungskultur, wie Feuilletonisten gerne sagen. Mit dem „Zeitzeugen-Portal“ will Kulturstaatsekretärin Monika Grütters deutsche Geschichte erlebbar machen. Und das ist in der Tat ziemlich spannend. Und unterhaltsam…
Es sind die kleinen, die versteckten Geschichten, die das Portal Zeitzeugen so bereichern und spannend machen. Etwa wenn Max Adenauer erzählt, wie er seine Jugend erlebt hat und später aus dem Schatten seines mächtigen Vaters, dem ersten Kanzler der Bundesrepublik, hinaustrat. Oder wenn die Ordensfrau Isa Vermehren (vom Herz-Jesu-Kloster in Bonn-Pützchen) wortgewandt und eloquent berichtet, wie sie einst - damals war sie noch die Kabarettistin „Hanna Dose“- den Eid auf den Führer verweigerte, um dann nach dem Krieg zu Gott finden. „Ich hatte damals auch gar nichts Anderes zu bieten. Ich sang sehr gern und sang sehr laut“. Es sind Geschichten wie sie nur das Leben schreibt. Beide, Max Adenauer und Isa Vermehren, sind längst tot, doch im Internet leben sie weiter.

„Mehr und mehr Zeitzeugen verstummen, und es ist klar: Die persönlichen und äußerst bewegenden Berichte dieser Menschen können wir nicht ersetzen“ sagt Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien. Mit dem neuen, erst Anfang Juli ins Lebens gerufenen Portal www.zeitzeugen-portal.de will sie und ihr Ministerium das „Vermächtnis dieser Persönlichkeiten bewahren, ihre Zeitzeugenberichte schützen und möglichst vielen Menschen zugänglich machen“, so die katholische Berliner CDU-Landesvorsitzende bei der Vorstellung der Webseite.
Im Moment sind auf dem Portal die Video-Clips von rund 1.000 Interviews zu finden, mit Prominenten wie Ex-Kanzler Helmut Kohl oder dem Nazi-Jäger Simon Wiesenthal. Doch spannender sind eher die Erzählungen der Unbekannten. Etwa wenn Emil Carlebach, einst Mitglied in der KPD von den Straßenschlachten mit den Nazis berichtet. Oder wenn Vladislava Wolf, eine Zuwanderin aus Moldawien, erzählt, wie toll sie die Fußballbegeisterung von uns Deutschen findet, einem aus ihrer Sicht doch sonst eher sehr nüchternen Volk…
Große Themenblöcke auf dem Zeitzeugen-Portal sind natürlich dem Holocaust, dem Mauerbau, dem Mauerfall oder der 68er Revolte gewidmet. Doch das Portal hat viel mehr zu bieten als sattsam Bekanntes. So berichtet beispielsweise Fritz Fischer von der Einführung des Frauenwahlrechts. Manchmal allerdings, auch das muss gesagt werden, wünscht man sich, dass die Interviewer etwas empathischer mit ihren Gesprächspartnern umgegangen wären. Oft wird nicht oder nur unzureichend nachgefragt. Manchmal einfach nur Historisches abgearbeitet. Aber eben weniger persönliches.
Das Zeitzeugenportal ist seit Anfang 2017 bei der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (HdG) angesiedelt und dort organisatorisch und personell im Aufbau. Insgesamt befinden sich noch etwa 13.000 Interviews im Besitz der Staatsministerin für Kultur und Medien. Das HdG wird vollständig aus dem Haushalt der Kulturstaatsministerin finanziert.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser