03.06.2012

Anstoss 22/2012

Vergessene Goldschätze

Der Dialogprozess, den die katholischen Bischöfe im Jahr 2011 angestoßen haben, ist inzwischen in vielen Bistümern und Gemeinden angekommen.

Das Ziel des Dialogprozesses innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland ist es, verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen. Doch dieses Unternehmen ist leichter gesagt als getan. Es gibt viele katholische Christen, die unter dem Traditionsabbruch leiden und sich schwer tun mit Veränderungen, obwohl man gleichzeitig spürt, dass die alten autoritären Befehle von oben nach unten nicht mehr funktionieren.

Mit Überlegungen beschäftigt, wie die Zukunft der Kirche aussehen kann, habe ich mich einer Arbeitsgruppe Dialogprozess angeschlossen. Ein sehr positives Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ist, dass wir begonnen haben, uns zu informieren, was es denn schon an Vorschlägen zur Reform der Kirche gibt. Und da sind wir auf regelrechte „Goldschätze“ gestoßen. Viele Themen, die wir diskutieren, sind bereits mit guten Argumenten und hoher Fachkenntnis dargelegt worden. Manche Textpassagen - immerhin mehrere Jahrzehnte alt - scheinen uns keineswegs antiquiert, sondern so aktuell, dass man einiges ungeändert sofort übernehmen könnte und nur das Datum ändern müsste ...

Als Hinweisschild, wo die Kirche hingehen soll, ist das Zweite Vatikanische Konzil (1963-1965) maßgebend. Die aktuellen Diskussionen mit den Piusbrüdern zeigen, was da die Knackpunkte sind, die auch im Dialogprozess eine Rolle spielen: die Liturgie sowie die Religions- und Gewissensfreiheit. Im Dialogprozess wird außerdem die Rolle der Frauen in der Kirche thematisiert. Dies ist ein Thema, das damals noch nicht angepackt wurde, aber inzwischen nicht mehr übergangen werden kann.   

Ein (mir) bisher eher verborgener Diamant sind die Texte der Synode des Bistums Meißen aus den Jahren 1969 bis 1971. Es ging dabei um die Erneuerung des Bistums Meißen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Diese Synode tagte unter schwierigen politischen und kirchenpolitischen Bedingungen. Die Texte, Erläuterungen, Bilder und ausführliche Personenregister und Sachregister sind endlich im Jahr 2005 im St. Benno-Verlag Leipzig in Buchform erschienen. Für mich jedenfalls war der Dialogprozess Anlass, mich mit dieser Synode zu beschäftigen und ich bin vom Mut und Geist der Männer und Frauen, die daran teilnahmen, sehr beeindruckt... Selbstverständlich darf auch die Würzburger Synode, 1971-1975, in einer solchen Aufzählung nicht fehlen.

So möchte ich allen Tag-des-Herrn-Leserinnen und –Lesern dringend empfehlen, die genannten Texte aus dem Bücherschrank oder Internet zu holen und zu lesen! Es lohnt sich!  

Sr. Susanne Schneider, Kontaktstelle Orientierung Leipzig