21.08.2015

Stasi-Unterlagen-Behörde präsentiert im Netz Schaufenster in das MfS-Archiv

Streifzug durch's DDR-Unrechtsregime

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen hat in einer Mediathek eindrucksvolle Zeitdokumente ins Netz gestellt. Zu sehen, zu hören und nachzulesen sind darin unter anderem eine Rede von Erich Mielke zum Schießbefehl an der Mauer, Abhörprotokolle der Bürgerrechtler kurz vor der "Friedlichen Revolution" von 1989 sowie Luftbilder des Todesstreifens mitten durch Deutschland, mitten durch Berlin.

Nein, zufrieden war Stasi-Chef Erich Mielke mit seinen Mitarbeitern längst nicht immer. In einer langatmigen, umständlichen Rede vor den Leitern der operativen Diensteinheiten zum Vorgehen gegen Ausreisewillige monierte er unter anderem die Trefferquote der DDR-Grenztruppen: „Wenn man schon schießt, dann muss man es so machen, dass der Betreffende nicht wegkommt“. Dass am Todesstreifen schon mal 70 Schuss abgefeuert wurden und der Republikflüchtling trotzdem „nach Drüben“ entkommen konnte, ginge schlicht an. Da der Westen aus dem Ganzen ohnehin immer eine „Riesen Kampagne“ mache.

Russiche Panzer in Leipzig (Foto: Bundesarchiv)

Auch gut 26 Jahre nach dem Ende der DDR ist das Interesse an den Stasi-Unterlagen ungebrochen. Allein 2014 wurden beim zuständigen Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) knapp 70.000 Anträge zur persönlichen Akteneinsicht gestellt. In der Stasi-Mediathek stehen dem Nutzer seit Anfang des Jahres – neben besagter Mielke-Rede - rund 2500 Text-Dokumentenseiten, 250 Fotos, sechs Stunden Tonaufzeichnungen und rund 15 Stunden Filmmaterial zur Auswahl. Das Ganze ist allerdings nur ein winziger Bruchteil (0,0036 Promille) dessen, was in der Behörde selbst lagert. Insgesamt verwaltet Stasi-Unterlagen-Chef Roland Jahn in seiner schmucklosen Behörde an der Karl-Liebknecht-Straße sage und schreibe 111 Regalkilometer Akten und rund 1,8 Millionen Fotos. Angeblich soll das Angebot der Mediathek zwar sukzessive erweitert werden. Doch wer sich mit Behörden auskennt, der weiß, amtliche Mühlen mahlen gerne mal langsam. Da ist auch die Stasi-Mediathek keine Ausnahme. Leider!

Behördenchef Jahn ist stolz auf "Schaufenster in das Stasi-Archiv“

Bürgerrechtler in der Gethsemanekirche: Jens Reich (rechts) und Marianne Birthler (2. von rechts) - Fotos: BStU.Archiv

Gut dokumentiert ist bisher vor allem die Friedliche Revolution von 1989. Hier sind – neben zahlreichen Dokumenten zur Einschätzung der immer größer werdenden Demonstrationen in Leipzig und anderswo – unter anderem auch Fotos einer Gesprächsrunde im Chorraum der Gethsemanekirche mit den Bürgerrechtlern Jens Reich und Marianne Birthler zu sehen. Auch über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gibt es eine recht umfangreiche Sammelmappe. Damals hatten sich spontane Streiks von Arbeitern in Ostberlin zu einem Aufstand entwickelt, der bald die ganze DDR erfasste, und an dessen Ende sowjetische Panzer durch Leipzig und Berlin rollten.

Vom Panikrocker Lindenberg bis hin zur "Erziehung mit der Guillotine"

Udo Lindenberg in der DDR

Auch über Udo Lindenberg führte der DDR-Geheimdienst eine Akte. Trotz seiner „betont anarchistischen Auftritte“, erhielt der West-Sänger die Genehmigung beim Friedensfestival in Ostberlin zu spielen; was sich jedoch bald als „politische Fehlentscheidung“ herausstellen sollte. Der Auftritt am 25.10.1983 sorgte nämlich beim Ministerium fpür Staatssciherheit (MfS) wegen Lindenbergs „diskriminierender Äußerungen gegenüber dem Generalsekretär des Zentralkommitees der SED“ für reichlich Empörung. Ausführlich nachzulesen sind auch die Dokumente über den Schauprozess und die Hinrichtung des Grenzoffiziers Manfred Smolka. Titel der Sammlung: Erziehung mit der Guillotine!

Behördenchef Roland Jahn nennt die Mediathek gerne ein „Schaufenster in das Stasi-Archiv“. Genau das ist sie auch (trotz ihres noch immer recht geringen Umfangs). Welche tiefe Wunde der 1400 Kilometer lange „antifaschistische Schutzwall“ einst in unser Land schlug, lässt sich besonders eindrucksvoll anhand der zahlreichen Luftaufnahmen in der Sammlung „Innerdeutsche Grenze und Berliner Mauer“ nachvollziehen. Sehenswert!

Ihr Webreporter Andreas Kaiser