01.04.2013
Was Michael Tschirch in der Jesusbäckerei Görlitz mit Ostern verbindet
Salzbrot für die Kreuzweg-Beter
In Görlitz gibt es eine Jesusbäckerei. Jedes Jahr am Karfreitag machen hier die Teilnehmer des Kreuzweges von der Peterskirche zum Heiligen Grab Station.
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Michael Tschirch vor seiner Jesusbäckerei in Görlitz. Foto: Andreas Kirschke |
Görlitz. Eine Sandstein-Stele von 1489 steht am Haus Nikolaigraben 2 und 3 in Görlitz. Farbige Grauwackesteine zeigen ein biblisches Motiv. „Die Dornenkrone überschneidet das Kreuz und das unter ihm gedrückte Gesicht Jesu. Eine starke Hand des Simon von Kyrene erfasst helfend die Last. Gottes Auge geht schauend voraus“, beschreibt Hausinhaber und Bäckermeister Michael Tschirch (48) aus Ober Neundorf, den Bildstock. Dieser ist die vierte Station des „Kreuzwegs zur Nachfolge am Karfreitag“, der jedes Jahr in Görlitz stattfindet und von der Peterskirche zum Heiligen Grab führt.
Organisiert wird der Kreuzweg von den evangelischen Innenstadtgemeinden. Michael Tschirch reicht am Bildstock den Teilnehmern Salzbrot - Symbol für Trost und Wegzehrung. Die Teilnehmer des Kreuzweges halten im Gebet einen Moment inne. „Dieser Augenblick ist ergreifend. Ich spüre dann unglaublichen Stolz, dass unsere Bäckerei Station des Kreuzwegs sein darf“, schildert Michael Tschirch.
Schließlich siegte die Familientradition
Aufgewachsen ist Michael Tschirch in Ober Neundorf. Hier betrieben seit 1894 Urgroßvater Herrmann, später Großvater Richard und danach Vater Werner Tschirch die Bäckerei. Frühzeitig half Michael Tschirch als Kind mit. Er schaffte Kohle herbei. Er trug die Asche hinaus. Oft durfte er beim Torten-Dekorieren helfen. „Der Wunsch, Bäcker zu werden, kam von innen. Mein Vater ließ mir da freie Hand“, erinnert er sich. „Natürlich gab es auch Traumberufe wie Landwirt und Autoschlosser. Doch irgendwann siegte in mir die Familientradition und ich wurde Bäcker.“
In Görlitz in der Feinbäckerei Hans-Joachim Haase lernte Michael Tschirch den Beruf. 1987 legte er die Meisterprüfung der sächsischen Bäckerinnung in Helmsdorf ab. 1988 übernahm er die Bäckerei zu Hause in Ober Neundorf. In Görlitz wollte er zusammen mit Dietmar Dörfer, Müller in Ludwigsdorf, eine Filiale einrichten. „Es war der Tatendrang der Wendezeit“, erzählt er. Schließlich kaufte Michael Tschirch das Doppel-Haus Nikolaigraben 2 und 3. Bis in die 1970er Jahre war hier die Bäckerei Nieswald. Danach stand das Haus lange Zeit leer. „Ich richtete wieder eine Bäckerei ein. In dieser Zeit riefen mir Anwohner freudig zu ,Der Jesusbäcker macht wieder auf‘“, erzählt Michael Tschirch. Er begann zu fragen und nachzuforschen. Der Bildstock mit dem Jesusbild, so fand er heraus, stand zuerst an Ort und Stelle. Später wurde ein kleines Haus vom Nikolai-Friedhof hierher umgesetzt. Danach wurde erstmals gebacken. „Wann der Name ,Jesusbäckerei‘ geprägt wurde, ist schwer zu sagen“, sagt Michael Tschirch. „1992 jedenfalls stellte ich den Antrag bei der Landeskirche, dass unsere Bäckerei am Nikolaigraben diesen Namen tragen darf. Seitdem heißt die Bäckerei Jesusbäckerei.“
Durch die Familie zu tieferem Glauben gefunden
Den Glauben, so erzählt Michael Tschirch, lebte er früher zu Hause in der Bäckerfamilie und in der evangelischen Kirchengemeinde Ludwigsdorf eher praktisch. Erst durch seine Frau Liane (38) und durch seine Kinder Emma (8), Arthur (6) und Rita (1) fand er einen tieferen, innerlichen Zugang. „Seitdem beten wir zu den Mahlzeiten. Und seitdem gehe ich öfter zum Gottesdienst“, schildert der Bäckermeister.
Ein prägender Einschnitt in seinem Leben war für Michael Tschirch auch ein Schicksalsschlag. 2009 erlitt er urplötzlich einen Herzinfarkt. „Dank Gottes Kraft erholte ich mich. Seitdem beende ich jeden Tag im Gebet“, sagt der 48-Jährige. „Ich bete nicht nur für mich, für die Familie, für Freunde und Nachbarn. Ich bete für alle Menschen.“
Im Förderverein „Heiliges Grab zu Görlitz“ engagiert sich Michael Tschirch heute als Schatzmeister. Seine Frau Liane singt mit im Kirchenchor Ludwigsdorf und engagierte sich dort auch mehrere Jahre im Gemeindekirchenrat. „Langfristig hegen wir weitere Pläne mit der Jesusbäckerei in Görlitz“, sagt Michael Tschirch. „Eines Tages soll hier eine Pilgerherberge entstehen und eine kleine Gaststätte mit Brot-Gerichten. Das Brot soll im Mittelpunkt stehen.“
Andreas Kirschke