29.10.2015

Anstoß 44/2015

Mit Tatkraft und Gottvertrauen

Am 8. Dezember 1841 fand in einer Sakristei in Turin eine folgenschwere Begegnung statt. Giovanni Don Bosco, seit einem knappen halben Jahr zum Priester geweiht, bereitete sich auf die Messe vor, als der Küster einen Jungen vertreiben wollte.

Don Bosco kam dem Jungen, der von nichts eine Ahnung hatte, zu Hilfe. An diesem Abend begann eine Freundschaft, die Don Bosco viel Freude, eine Unmenge Mühe und Arbeit und ein erhebliches Maß an Unverständnis, Anfeindungen bis hin zu Mordversuchen einbringen sollte. Er begann sich des Jungen und seiner Freunde anzunehmen: unterrichtete sie, spielte, wanderte und musizierte mit ihnen, wies sie in den Glauben ein. Schnell wuchs die Zahl der Jungen, die in den Umbrüchen der italienischen Befreiungskriege und der industriellen Revolution eltern- und heimatlos in den Straßen Turins gestrandet waren und nur mit Betteln und Stehlen ihr Dasein fristen konnten. Bald waren es  vierhundert, die regelmäßig zu ihm kamen. Sie trafen sich zunächst auf Plätzen und in Kirchen und wurden oft auch vertrieben, weil man Angst hatte vor der großen Schar wilder Burschen. Es gab Widerstand von Staat, Politik, Polizei, auch von der Kirche. Man versuchte sogar Don Bosco für verrückt zu erklären. Und die Schar der hilfesuchenden Jungen wuchs schier unermesslich: Essen, Schlafplätze, Unterricht, Ausbildungsplätze - nach zwölf Jahren waren es um die 1000 geworden. Eine unmögliche Aufgabe!
Warum erzähle ich diese Geschichte noch einmal, die viele Kinder unserer Gemeinden während der RKW gehört haben? Sie erinnert mich an unsere Situation mit den Flüchtlingen – es sind unheimlich viele, sie sind so anders als wir, sie kennen sich nicht mit unseren Regeln aus, sie stellen manchmal Forderungen, sind nicht zufrieden, mit dem was ihnen zugeteilt wird ... nach menschlichem Ermessen ist das nicht zu schaffen! Und wer sich für sie einsetzt wird angefeindet. Genau wie bei Don Bosco damals. Aber er hat sich eben nicht „irre“ machen lassen. Er hat sich von seinem Herzen, von seiner Menschlichkeit und vor allem von seinem Gottvertrauen leiten lassen. Ich glaube, dass wir derzeit viel von ihm und seinen Jungen lernen können. Unsicherheiten, Ängste, Ratlosigkeit sind damals wie heute verständlich. Aber vielleicht lässt sich auch heute mit viel Tatkraft, einem weiten Herzen und dem Vertrauen, dass Gott uns weiterhelfen wird, viel mehr bewegen als menschenmöglich scheint.

Angela Degenhardt, Sangerhausen