20.02.2017

Die Streetworker von "sofahopper.de" wollen Jugendliche von der Straße holen

Keine feste Bleibe mehr?

Die Zahl der wohnungslosen Jugendlichen steigt rapide. Bundesweit gibt es rund 20.000 junge Menschen, die aus allen sozialen Netzen herausgefallen sind. Die unabhängige Plattform sofahopper.de versucht ihnen eine neue Perspektive zu geben.

Sozialarbeiter sind tief besorgt über die steigende Zahl von wohnungslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Zwar schlagen sich die meisten von ihnen zunächst noch als sogenannte Sofahopper durch, und übernachten mal hier und mal dort, bei Freunden. Doch irgendwann reißen die sozialen Netze und ihnen droht der „völlige Absturz“, wie Markus Seidel, der Vorstandsprecher der unabhängigen Stiftung „Off Road Kids“ sagt. Experten von Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W), in der auch kirchliche Träger wie die Diakonie und der Deutsche Caritasverband engagieren, beziffern die Zahl der wohnungslosen Jugendlichen auf 20.000. Tendenz stetig steigend.

Eine neue christliche Online-Beratung will helfen, Jugendliche von der Straße zu holen (Bildschirmfoto "sofahopper.de")

Da die Streetworker wissen, wie schwer sich viele betroffene Jugendliche oft mit offiziellen Stellen (Jugendämtern, Jobcentern etc.) tun, haben die „Off Road Kids" Mitte Dezember die Online-Beratung mit der Internet-Adresse sofahopper.de ins Leben gerufen. Es ist die erste überregionale virtuelle Streetwork-Station für Straßenkinder, Ausreißer und junge Obdachlose. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Menschen in verdeckter Obdachlosigkeit und an junge Menschen, die von allen sozialen Hilfesystemen entkoppelt sind (Disconnected Youth). Über ein Chat-Fenster können Interessierte an Wochentagen zwischen zehn und 15 Uhr sofort und vollkommen unbürokratisch Kontakt mit erfahrenen Beratern (Sozialarbeitern) aufnehmen, die die Betroffenen dann wiederum, wenn gewünscht, an andere Träger weiterleiten. Die Stiftung selbst unterhält in vier deutschen Großstädten - Berlin, Hamburg Dortmund und Köln – eigene Stationen. Auch über Facebook ist die Organisation zu erreichen.

Das Logo der Streetworker

Eigenen Angaben zufolge haben die „Off Road Kids“ schon rund 4.000 jungen Leuten geholfen, wieder mehr Halt und sozialen Boden unter den Füßen zu bekommen. Bei vielen obdachlosen Jugendlichen handele es sich um ehemalige Heimkinder, sagte Seidel jüngst in einem Interview mit dem SWR. Die BAGW sieht in den Hartz-IV-Regelungen den Hauptgrund dafür, warum seit einigen Jahren immer mehr Kids auf der Straße landen. Nach aktueller Rechtsklage haben Menschen unter 25 Jahren keinen Anspruch auf einen eigenen Haushalt. Nur unter bestimmten Voraussetzungen gibt es Hilfen für Umzug und Wohnung, etwa wenn die Zustände in der Familie unzumutbar sind. Doch der Nachweis ist mühsam. Dies bestätigte auch der zuständige Referent der Diakonie Deutschland, Rolf Keicher. Von der Deutschen Presseagentur (dpa) wird Keicher mit den Worten zitiert: „Wir sehen mit Sorge, dass die ersten Erfahrungen junger Menschen mit dem Sozialsystem negativ ausfallen… Sie schlagen sich dann lieber selber durch und sammeln Flaschen oder betteln.“

Die „Off Road Kids“ werden übrigens inzwischen auch von einigen Prominenten unterstützt. Unter anderem „eingeklinkt“ haben sich Franz Beckenbauer, die beiden Autorennfahrer Lewis Hamilton und Jenson Button sowie dem deutschen Schauspiele Kai Wiesinger, aber auch von Unternehmen wie Vodafone oder der Deutschen Bahn kommt Geld. Erst im August hatte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki die Wichtigkeit der Obdachlosenhilfe betont und die Gläubigen dazu aufgemuntert, Obdachlosen zu helfen. In der Praxis arbeiten unabhängige Helfer wie die der „Off Road Kids“ ohnehin schon lange immer mal wieder (punktuell) mit kirchlichen Anbietern zusammen. So waren es etwa die Gengenbacher Franziskanerinnen vor 20 Jahren die der unabhängigen Stiftung beim Aufbau ihres Straßensozialarbeitsnetzes geholfen haben.

Ihr Webreporter Andreas Kaiser