26.03.2014

Anstoß 13/2014

Gute Vorsätze

Jahreswechsel und Fastenzeit haben erstaunlich viel miteinander zu tun.

Mich eingeschlossen beginnen viele Menschen das neue Jahr genau wie die Fastenzeit mit guten Vorsätzen. Und mich eingeschlossen stellen viele Menschen regelmäßig fest, wie kurz die Halbwertzeit solcher Vorsätze sein kann. Aus diesem Grund bekomme ich in diesem Jahr jede Woche einen Brief von einer Aktion, die „7 Wochen anders leben“ heißt. Jeder Brief enthält Anregungen, frische Gedanken, Bilder und biblische Impulse, die mein Fastenvorhaben unterstützen sollen.
Es scheint allerdings auch Vorsätze zu geben, die wie guter Wein sind und eine Zeit brauchen, um zu reifen. Sie sind im Alltag untergegangen, aber nicht verloren. Sie nisten sich irgendwo zwischen Herz und Verstand ein und warten auf den richtigen Augenblick. So ging es mir mit einem Vorsatz, den mir im vergangenen Jahr ein Engel im Dom zu Halberstadt zugetragen hat.
Keine Angst, jetzt folgt nicht der Bericht einer himmlischen Erscheinung, sondern nur die Erinnerung an ein beeindruckendes Bild. Schon von weitem laden die hohen Kirchentürme ein, den gotischen Dom von Halberstadt zu besuchen, der seit 1200 Jahren geistlicher Mittelpunkt der Stadt und der gesamten Region ist. Um das Kirchenschiff zu betreten, muss man ein paar Stufen hinabsteigen. Dann öffnet sich ein hoher, lichter Raum, der von einem Lettner abgeschlossen wird, auf dem sich ein Triumphkreuz erhebt. Der Gekreuzigte wird rechts und links von zwei Engeln bewacht.
Gerade, als ich bewundernd vor dem alten Kreuz stehen geblieben war, fielen ein paar Sonnenstrahlen auf den Engel zur Rechten Jesu. Der Seraphim erinnerte mich an ein Wort aus den Psalmen: „Er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ (Ps 91,11f.)
Dieser Engel im Dom zu Halberstadt ist über 800 Jahre alt. Seine Aufgabe besteht ausschließlich darin, über den Sohn Gottes zu wachen. Dazu hat Gott die Engel geschaffen, sie umgeben, beschützen und sind seine Boten. Mit einem anderen Wort aus den Psalmen könnte man sagen, „sie umschwirren uns wie Bienen“ und stehen gerade so für die Gegenwart Gottes in der Welt. (Ps 118,12) Manchmal behaupten wir von einem anderen Menschen, er sei für uns wie ein Engel und meinen damit, er habe uns Gutes getan, oder noch genauer, er täte uns gut. Biblisch ist die Sache klar: Engel sind gut, weil sie von dem kommen, der gut ist. Man könnte sagen, Gottes Nähe steckt an. Und ich? Wem tue ich gut? Zu wem lasse ich mich von Gott schicken?
Pünktlich zur Fastenzeit taucht der Engel aus Halberstadt in Form einer Postkarte, die ich als Lesezeichen in ein Buch gesteckt hatte, bei mir auf. Und mit ihm der Gedanke: Wem tue ich gut? Zu wem lasse ich mich von Gott schicken?
Ein ungewöhnlicher Vorsatz, die Engel arbeitslos machen zu wollen, aber er liegt ganz auf der Linie des Evangeliums: „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen.“ (Lk 6,27) Manche Vorsätze brauchen länger, aber sie kommen wieder, wenn die Zeit dafür reif ist.
Pfarrer Marko Dutzschke, Cottbus