25.09.2014
Treffen der Bischofs-Chauffeure
Die Steuermänner der Bischöfe
Dresden (tdh). Die Fahrer der deutschen Bischöfe treffen sich bei Bischofskonferenzen, Sitzungen, Jubiläen und Bischofsweihen. Seit 24 Jahren bleiben sie auch als Ruheständler in Verbindung. Vierzehn ehemalige Fahrer, zumeist mit ihren Ehefrauen, waren Anfang September zu Gast in der Sächsischen Schweiz.
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Vor der Fahrt ein kleines Schnäpschen – im aktiven Berufsleben wäre das natürlich tabu gewesen. Bischofsfahrer aus ganz Deutschland trafen sich mit Ehefrauen in der Sächsischen Schweiz. Auf dem Programm stand auch eine Kremserfahrt – die Fahrer von einst durften sich kutschieren lassen. |
Peter Schmitt hat mehrere Jahre lang den Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff gefahren. Seinen Ruhestand verlebt er gemeinsam mit seiner Frau in der Sächsischen Schweiz. Im Tag des Herrn-Interview sprach er über Erinnerungen und darüber, was die ehemaligen Kollegen bis heute verbindet und bewegt.
Warum ist es den ehemaligen Bischofsfahrern so wichtig, in Kontakt zu bleiben?
Es sind die persönlichen Verbundenheiten die in unserem Dienst für die Bischöfe entstanden sind. Wir haben mit Freude und Überzeugung für sie gearbeitet und sie als Nachfolger der Apostel respektiert, was heute leider oft vergessen wird. Diese Einstellung trägt uns auch heute und hält uns zusammen.
Ein anderer Grund sind auch unsere Ehefrauen. Sie haben über viele Jahre und Jahrzehnte auf uns verzichtet und gewartet. Kaum ein Wochenende, und erst recht nicht an Feiertagen, waren wir bei der eigenen Familie. Kindererziehung war überwiegend Frauensache – wir waren ja mit dem Bischof unterwegs. Unsere Treffen sind also auch ein Dank an unsere Ehefrauen, dass sie unseren Dienst mitgetragen haben. Bei diesen Treffen können sie sich „ihren Frust der Vergangenheit“ von der Seele reden. Eine der Ehefrauen pflegt auf die Frage, ob sie früher schon einmal an Scheidung gedacht hätte, zu sagen: „an Scheidung nicht – aber an Mord“! Unser Dienst war halt nicht unbedingt familienfreundlich.
Haben sich die Anforderungen, die an Bischofsfahrer gestellt werden, verändert, seit Sie im Ruhestand sind?
Vor 25 Jahren waren noch mindestens 6 Ordensbrüder im Dienst und die liturgischen Dienste wurden vielfach noch von den bischöflichen Kaplänen wahrgenommen. Heute ist kein Ordensbruder mehr im aktiven Fahrdienst, und bischöfliche Kapläne bleiben oft im Büro und erledigen die Arbeiten des bischöflichen Sekretärs. Auch in den Bischofshäusern hat Personalabbau stattgefunden.
Seit meinem erst kurzen Ruhestand hat sich eigentlich kaum etwas verändert. Es ist aber auch von Bistum zu Bistum sehr unterschiedlich. Vielfach ist bei Neueinstellungen die Residenzpflicht entfallen, also dass Dienstort auch gleich Wohnort ist. Der Termindruck nimmt allerdings weiterhin zu. Die Bindung zwischen Fahrer und Bischof ist oft nicht mehr so intensiv. Wir haben ja in den letzten fünf bis zehn Jahren nicht nur einen Generationenwechsel bei den Fahrern, sondern auch bei den Bischöfen gehabt.
Was gehörte noch so zu Ihren Aufgaben, wenn Sie nicht gerade die Wagen gesteuert haben?
Fahrdienst und Fahrzeugpflege waren nur ein Teil des Aufgabengebietes. Großer Bestandteil war auch der Dienst als Zeremoniar bei allen Pontifikalgottesdiensten, die Vorbereitung von besonderen Weihegottesdiensten wie Altar- Kirch- oder Abtsweihen mit den Pfarrern vor Ort. Ich habe den Bischof zum Beispiel auch zu Gremiensitzungen und Gruppengesprächen begleitet und dabei Stichwortprotokolle geführt. Kinder brachten es eigentlich immer ganz gut auf den Punkt, wenn sie mich bei den Besuchen des Bischofs in Grundschulen oder Kindergärten fragten, ob ich der Diener oder der Bodyguard des Bischofs wäre. Das mit dem Diener trifft wohl am besten zu! Das heißt auch zu versuchen, das alltägliche Leben des Bischofs zu erleichtern. Dazu gehört auch die Überwachung des Zeitplanes, besonders bei Visitationen, den Bischof rechtzeitig aus einem Gesprächstermin loszueisen und zum Nächsten zu bringen. Wichtigste Aufgabe aber ist Vertrauenswürdigkeit und Verschwiegenheit!
Wie kommt man an solch einen Job?
Zuerst eine Anmerkung: wir haben etwas gegen die Bezeichnung „Job“! Es handelt sich um einen Dienst. In manchen Diözesen gibt es öffentliche Stellenausschreibungen, auf die sich über 100 Personen bewerben, von denen dann nur etwa fünf bis zehn zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Viele sind absolut ungeeignet, weil sie keine kirchliche Bindung erkennen lassen oder nicht am Sonntag arbeiten wollen. Die Wahl triff oft auf Bewerber, die schon in der Bistumsverwaltung oder sogar im Fahrdienst für Domkapitel oder Weihbischöfe tätig waren. Ich persönlich hatte auch vorher den Generalvikar und die Herren des Domkapitels gefahren. Mein Vorgänger im Dienst des Bischofsfahrers, ein Ordensbruder, der aus Altergründen aufhörte und der damalige Generalvikar hatten mich dem Aachener Bischof als Fahrer empfohlen. Als ich mit ihm dann zweimal unterwegs war, stellten wir fest dass die Chemie wohl einigermaßen stimmen könnte und so wurde ich dann sein Fahrer und Begleiter.
Wie volksnah haben Sie Ihre Bischöfe erlebt?
Die überwiegende Mehrheit der Bischöfe ist dem Kirchenvolk und auch den Fernstehenden sehr nahe. Allerdings gibt es wie bei allen Menschen auch bei den Bischöfen unterschiedliche Mentalitäten und Charaktere. Ruhige und fast verschlossen wirkende, die Offenen, die sich bei Feierlichkeiten mit an den Stammtisch setzen oder gar die so genannten „Poltergeister“. Fast alle habe ich in erster Linie als Seelsorger und umgängliche Menschen kennengelernt. Die einen sind mehr Theologiewissenschaftler, die anderen mehr der Volksprediger. Jeder hat seine Befürworter und auch Kritiker. Einige erscheinen auch härter als sie wirklich sind. Ein Beispiel darf wohl hier erwähnt werden. Erzbischof Dyba wurde ja meist als konservativ und „Hardliner“ angesehen. Er konnte aber auch bei mehrtägigen Sitzungen abends zu uns an den Tisch kommen und mit uns ganz gelöst und mit sichtlicher Freude Skat oder Doppelkopf spielen.
Fahren die deutschen Bischöfe immer Auto oder gibt es auch gelegentliche Zug- oder Straßenbahnfahrer?
Selbstverständlich nutzen die Bischöfe auch öffentliche Verkehrsmittel und auch Mitfahrgelegenheiten, wenn es die Terminpläne ermöglichen. Meist sind die Termine aber so eng abgestimmt, dass es keine Alternative zum Dienstwagen gibt. Wenn möglich, erfolgen aber An- und Abreise zu Flughäfen oder Konferenzen mit der Bahn. Es ist immer ein pressewirksames Bild, wenn die Bischöfe zu den Vollversammlungen mit ihren „Protzautos“ angefahren kommen. Dass wir aber zum Beispiel vom Bistum Aachen immer mit drei Bischöfen (Diözesanbischof und zwei Weihbischöfen) anreisten, das bemerkte keiner!
Wie haben Sie Ihren damaligen Arbeitsalltag in Erinnerung? Im ständigen Termindruck oder eher entspannt?
Der Termindruck war oft schon ganz heftig, aber auch ruhige und entspannte Fahrttermine waren dabei. Es kommt auch auf die innere Einstellung von Bischof und Fahrer an. Mein Bischof hat mir nie in meine Fahrweise reingeredet. Seine Einstellung: „ohne mich fangen die nicht an“, bei Messfeiern, und: „die können auch ohne mich anfangen“, bei Konferenzen, fand ich immer hilfreich. Trotzdem war ich natürlich immer bemüht, die gesetzten Termine einzuhalten. Einige Kollegen hatten da schon mehr Schwierigkeiten mit ihren Bischöfen. Der Alltag, wenn man von Alltäglichem sprechen kann, war so unterschiedlich wie die Termine. Hektik und Stress, interessante Begegnungen, bis hin zur Langeweile, es war alles dabei.
Manchmal hört man Kritik an den angeblich zu dicken Autos der Bischöfe. Wie denkt ein Bischofsfahrer darüber? Und überhaupt: Wie nehmen die Fahrer, die so lange sehr nahe dran waren an den „Oberhirten“ der Kirche, die aktuelle Diskussion über Armut und Reichtum in der Kirche wahr?
Die angeblich dicken Autos sind obere Mittelklassefahrzeuge und ein wichtiger Arbeitsplatz. An langen Arbeitstagen, zum Beispiel bei Visitationen, war der erste Termin um acht Uhr und der letzte endete gegen 22 Uhr, bei meist stündlich wechselnden Gesprächsorten. Hinzu kamen noch die An- und Abreise, also 14 Stunden vor Ort und zwei Stunden für Hin- und Rückfahrt. An solchen Tagen ist der Fahrer froh, wenn er mal nicht gebraucht wird (bei Einzelgesprächen mit pastoralen Mitarbeitern) und sich im Dienstwagen ausruhen oder mal eine „Mütze voll Schlaf“ nehmen kann. In der kalten Jahreszeit ist dann auch eine Standheizung sehr von Vorteil. Auch dem Bischof dient das Fahrzeug als Rückzugsraum und als Büro. Bei oft wochenlanger Abwesenheit muss schließlich auch die Büroarbeit erledigt werden. Es werden oft auch Mitfahrer mitgenommen – auch auf längeren Strecken.
Bei Armut und Reichtum denkt zur Zeit fast jeder noch an die Causa Bischof von Limburg. Das Fehlverhalten eines Menschen, auch wenn er Bischof ist, und das Versagen von Kontrollgremien kann doch wohl nicht der ganzen Kirche angelastet werden. Es handelte sich natürlich um einen besonders schweren Fall von Vermögensverschwendung und Vertrauensmissbrauch. Die Reaktionen hierauf waren oft menschenunwürdig. Den Bischöfen wird oft auch ihre „pompöse“ Wohnsituation angekreidet. Viele dieser Häuser stehen unter Denkmalschutz, und eine Umnutzung ist schwierig. Ich kenne viele Bischöfe, die lieber in kleineren und praktischeren Wohnungen leben würden. In Aachen hat zum Beispiel eine Umnutzung des alten Bischofshauses stattgefunden. Der Bischof ist in eine normale Wohnung gezogen. Dieser Bruch mit der Tradition hat auch nicht jedem gefallen.
Es werden auch immer wieder die Kunstschätze als übermäßiger Reichtum der Kirche angeprangert und deren Verkauf zu Gunsten der Armen angeregt. Hierfür haben meine Kollegen und ich gar kein Verständnis, handelt es sich doch um Kulturgüter, deren Erhalt für die kommenden Generationen, auch eine Pflicht der Kirche ist – sollen sie etwa in Privatsammlungen verschwinden? Diese Kunstschätze stellen nicht nur Vermögenswerte dar. Aufbewahrung, Instandhaltung und Präsentation kosten auch. Generell ist zu sagen, dass das Vermögen der einzelnen Bistümer sehr unterschiedlich ist, in Deutschland und weltweit! Dafür ist die Kirche aber auch eine große Solidargemeinschaft.
Die Diskussionen über Armut und Reichtum sind für uns sehr schmerzlich, gehen Sie doch am Kern, am Sinn von Kirche vorbei. „Die Kirche“ wird oft nur als Institution oder Firma, Verwaltung oder Arbeitgeber gesehen, auch von Katholiken. Kirche ist sicher von allem etwas, aber in erster Linie doch eine weltweite Gemeinschaft glaubender Menschen. Ihre Hauptaufgabe, die Weitergabe des Glaubens, könnte sie natürlich auch ohne große finanzielle Mittel erfüllen, aber die vielen guten caritativen Aufgaben nicht.
Fragen: Dorothee Wanzek