19.05.2022
Bischof Feige im Interview über Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche
Ökumene liegt auf Eis
Die Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche sind durch den Ukraine-Krieg belastet, sagt der Magdeburger Bischof Gerhard Feige im Interview. Vor Ort funktionierten die Beziehungen zwischen Russen und Ukrainern aber oft gut.
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Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige nimmt Stellung zu den Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche. Foto: Dominik Wolf / KNA |
Sie sind Ökumene-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. stellt sich bedingungslos hinter Putin und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie stark belastet die Haltung des Moskauer Patriarchats die ökumenischen Beziehungen?
Momentan sind viele Beziehungen unterbrochen oder ausgesetzt. Das betrifft auch den theologischen Dialog zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Moskauer Patriarchat. Ebenso wurde ein Treffen von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill, das möglicherweise im Juni im Nahen Osten hätte stattfinden sollen, wieder abgesagt. Und von einigen kam auch die Forderung, die Russische Orthodoxe Kirche aus dem Weltrat der Kirchen auszuschließen. Insgesamt kann man von einer ökumenischen Zeitenwende sprechen. Sicher ist es wichtig und richtig, nicht völlig auf Distanz zu gehen. Es muss aber wohl grundsätzlich wieder einmal überlegt werden, unter welchen Voraussetzungen ökumenische Dialoge überhaupt sinnvoll erscheinen und unter welchen Umständen sie nicht zu verantworten sind.
Nun ist die Orthodoxie sehr vielstimmig – was erleben Sie in direkten Gesprächen mit orthodoxen Christen, welche Stimmen und Ansichten nehmen Sie dort wahr?
Außerhalb Russlands positioniert man sich in orthodoxen Kreisen größtenteils sehr kritisch. Das Unverständnis und die Empörung sind groß. Selbst in der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, die zum Moskauer Patriarchat gehört, wächst der Widerstand gegen den eigenen Patriarchen. Viele orthodoxe Christen finden es ganz einfach unerträglich, dass dieser Krieg religiös verbrämt wird. Manche betonen auch, sich aus der Politik heraushalten zu wollen, sehen sich aber in Solidarität mit den Ukrainern.
Welche politischen Forderungen seitens der Ostkirchen nehmen Sie wahr – beispielsweise im Hinblick auf das Engagement Deutschlands für die Ukraine?
Allen – so meine Wahrnehmung – ist in erster Linie der sehnliche Wunsch gemeinsam, dass dieser schreckliche Krieg so schnell wie möglich ein Ende nimmt und dass den davon Betroffenen wirksam geholfen werden kann – entweder in der Ukraine selbst oder im Ausland, wenn sie geflüchtet sind. Ganz konkrete Forderungen von kirchlicher Seite sind mir nicht bekannt.
Viele ukrainische Flüchtlinge kommen derzeit nach Sachsen-Anhalt. Allein in der Ukraine gibt es zwei orthodoxe Kirchen – eine dem Moskauer Patriarchat unterstellte und eine selbstständige – sowie die mit Rom unierten griechisch-katholischen Christen. Wie verändert dieser Zuzug den ökumenischen Dialog?
Meiner Meinung nach lässt sich das gegenwärtig noch nicht sagen. Zu viel ist in Bewegung. Und man weiß ja auch noch nicht, wie lange der Krieg dauert und wie er ausgehen wird. Sicher werden die meisten Ukrainer bald wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. Auf jeden Fall sollten wir erst einmal sensibel sein und wahrnehmen, welche von ihnen Christen sind – das sind wohl die meisten – und dann versuchen, ihnen Kontakte zu Gemeinden oder Gottesdiensten ihrer jeweiligen Kirchen zu vermitteln. Das ist nicht ganz leicht, aber ich hoffe, dass wir demnächst auch von Seiten der Bischofskonferenz eine kleine Handreichung und Hilfe dazu geben können.
Wie kann es gelingen, die vielen unierten und orthodoxen Christen hier zu integrieren – und was kann das Bistum Magdeburg dazu beitragen?
Auf jeden Fall ist es zunächst wichtig, ihnen dabei zu helfen, sich bei uns zurechtzufinden, alle Formalitäten zu erledigen und die deutsche Sprache zu erlernen. Mehrheitlich sind es orthodoxe Christen, da die meisten Flüchtlinge aus der Ost- und Zentralukraine kommen. Unierte Christen sind eher in der Westukraine ansässig. Für letztere haben wir im Bistum zwei Gottesdienstmöglichkeiten, eine in Magdeburg und eine in Halle. Orthodoxe Christen können zu jeder orthodoxen Kirche gehen – das heißt, Ukrainer auch zur Griechischen, Rumänischen, Serbischen, Bulgarischen oder eben Russischen Orthodoxen Kirche. Leider haben wir in unserer Region nicht eine so große Vielfalt, sodass eigentlich nur russische Gemeinden in Frage kommen.
Traditionell sind in Ostdeutschland die Beziehungen zwischen Deutschen und Russen recht gut. Dennoch leben auch hier viele Menschen, die das Vorgehen Putins unterstützen. Wo sollten wir da als Christen eine „rote Linie“ ziehen?
Persönlich, muss ich sagen, sind mir solche Putin-Anhänger noch nicht begegnet. Aber es gibt sie. Richtwerte für uns Christen sind die Menschenwürde und deren Verteidigung, die Solidarität mit den Leidenden und die Sicherung des Gemeinwohls. Man könnte auch sagen: die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Dafür gilt es, klar Position zu beziehen. In keiner Weise ist ein solcher Angriffskrieg zu rechtfertigen, auch nicht aus nationalen, und schon gar nicht aus religiösen Gründen.
Die Orthodoxen haben erst vor kurzem das Osterfest nach ihrem liturgischen Kalender gefeiert. Waren Sie selbst bei einer Osterliturgie dabei?
Leider in diesem Jahr nicht, dazu hatte ich keine Zeit. Aber die Russische Orthodoxe Gemeinde von Magdeburg hat ihre Osternacht in unserer katholischen Kathedrale gefeiert. Sie selbst hat nur eine kleine Kapelle und ist immer wieder auf der Suche nach einem größeren Raum. An dieser Liturgie haben auch Ukrainer teilgenommen. Außerdem, und da freue ich mich sehr, konnte ich über den russischen Erzpriester von Magdeburg einen Ostergottesdienst für ukrainische Flüchtlinge in einer anderen Stadt in der Region vermitteln. Zusammen mit ihm hat sich dorthin auch noch ein anderer orthodoxer Priester auf den Weg gemacht, der wohl aus der Ukraine stammt und mit seiner Familie hier nach Magdeburg geflüchtet ist. Durch diese improvisierte Möglichkeit konnten wenigstens einige der zu uns geflüchteten orthodoxen Christen aus der Ukraine noch auf ihre Weise Ostern feiern.
Das heißt, in dieser Gemeinde besteht noch ein gutes Einvernehmen zwischen Russen und Ukrainern?
Ja, weil die meisten Menschen aus der Ostukraine auch Russisch sprechen. Hier geht es im Gottesdienst weniger um nationale Interessen als um das Wesentliche des christlichen Glaubens und die Botschaft des Osterfestes. Von daher spiegelt sich in diesen Gemeinden auch nicht unbedingt der Kriegsgegensatz wider. So hat es mir der russische Erzpriester gesagt, und so habe ich es auch aus anderen Teilen Deutschlands gehört.
Auch hier im Bistum sind viele katholische Organisationen wie Caritas oder Malteser, aber auch zahlreiche Gemeinden, in der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge engagiert. Wie erleben Sie heute, mehr als zwei Monate nach Kriegsausbruch, diesen Einsatz für die Menschen aus der Ukraine?
Vor kurzem konnte ich mich erst wieder davon überzeugen, wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas und der Pastoral sowie Ehrenamtliche hoch motiviert um die Integration von Flüchtlingen aus der Ukraine kümmern. Das war in Halberstadt der Fall, im Rahmen einer Visitation. Mich beeindruckt, mit welchem Engagement aber auch anderswo geholfen wird. Manche haben Wohnraum zur Verfügung gestellt, packen auf vielfältige Weise tatkräftig mit an oder spenden großzügig. Und an unseren Schulen nehmen, wie ich gehört habe, schon einige ukrainische Kinder am Unterricht teil.
Interview: Oliver Gierens
Kommentare
Dietbert Heller (nicht überprüft)
Hallo Team vom TdH. Das