22.05.2023

Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche

Unter keinem guten Stern?

Die neue Aufarbeitungskommission Ost soll das Ausmaß des Missbrauchs in den (Erz-)Bistümern Berlin, Dresden-Meißen und Görlitz sowie der Katholischen Militärseelsorge ermitteln. Doch schon jetzt üben Betroffene Kritik.


Uta-Maria Kuder (65), von 2006 bis 2016 Justizministerin Mecklenburg-Vorpommerns, ist Vorsitzende der Kommission.

Zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Berlin, den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz sowie der in Berlin angesiedelten Katholischen Militärseelsorge gibt es eine neue Kommission. Wie das Gremium am 11. Mai in einer Pressemitteilung betonte, ist es „nicht Teil kirchlicher Strukturen und arbeitet weisungsfrei“. Die neun Mitglieder der Kommission wurden von Landesregierungen, Bistümern und einem Beirat von Missbrauchsbetroffenen benannt. Aus ihrem Kreis wählten sie Mecklenburg-Vorpommerns frühere Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) zu ihrer Vorsitzenden.

Das Gremium will das Ausmaß sexualisierter Gewalt in den beteiligten Bistümern sowie die kirchlichen Rahmenbedingungen, die Missbrauch fördern, ermitteln und bewerten. Zudem hat sich das Gremium die Aufgabe gestellt, sich dafür zu engagieren, dass wirksame Maßnahmen zum Verhindern von Missbrauch in allen kirchlichen Bereichen verankert werden. Auch will die Kommission Betroffene ermutigen, „sich zu ihren Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen im kirchlichen Kontext zu äußern“. Grundlage für die Berufung der Kommission ist eine Vereinbarung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und des damaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig.

Kompetenz aus diversen Disziplinen

Außer Uta-Maria Kuder sowie der Betriebswirtin und Sozialpädagogin Sabine Otto, die den Betroffenbeirat vertritt, gehören dem Gremium auch die Abteilungsleiterin Maria Bering von der Dienststelle der Bundeskulturbeauftragten Claudia Roth (Grüne) sowie der frühere Abteilungsleiter im Brandenburger Bildungsministerium, Andreas Hilliger, an. Weitere Mitglieder sind die Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, Regina Kraushaar, sowie die Charite-Ärztin Maria Sternemann. In der Kommission engagieren sich überdies der frühere sächsische Generalstaatsanwalt Hans Strobl und der Sozialarbeiter Robert Wolf, der in einem Brandenburger Gesundheitsamt angestellt ist.

Pessimistische Prognose von Betroffenenbeirat

Gegen die von der Kirche vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Kommissionsarbeit legte der Betroffenenbeirat Ost Widerspruch ein. In einer am gleichen Tag veröffentlichten Pressemitteilung erklärte er zur Begründung, dass die Kommission keine Einsicht in die Informationen und Akten der Kirchengerichte und der Militärseelsorge und keine Auskünfte darüber erhalte. Besprochen worden sei das Anliegen bei der ersten Sitzung nicht.

Zudem widersprach Beiratsvertreterin Sabine Otto der Konstituierung auch deshalb, weil ein weiterer Vertreter des Beirats wegen ausgebliebener Berufung durch die zuständigen Bischöfe nicht habe teilnehmen können. Daher habe Otto an der Wahl für den Kommissionsvorsitz nicht teilgenommen. „Wir bezweifeln, dass die Aufarbeitungskommission Betroffene angemessen beteiligen und die Interessen Betroffener bei der Aufarbeitung berücksichtigen wird“, schreibt der Betroffenenbeirat.

Ob es der Aufarbeitungskommission gelingt, die Zweifel auszuräumen, könnte sich schon bald zeigen. In ihrer konstituierenden Sitzung beschloss sie, sich im ersten Schritt beim Betroffenenbeirat über den derzeitigen Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zu informieren. Anschließend seien Gespräche mit Vertretern der Kirche sowie Gutachtern und Wissenschaftlern geplant, die sich mit Missbrauch befassen. Zudem will das Gremium mit Kirchengemeinden, in denen es solche Fälle gab, Kontakt aufnehmen.

(kna/tdh)